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Mieten und Inflation – wie hängt das zusammen?

Die allgemeine Teuerung berührt die Lebenssituation sehr vieler Menschen und bestimmt seit Monaten die öffentliche Diskussion. Eine Umfrage des IMAS-Instituts zum Jahreswechsel zeigte sogar, dass die Teuerung die Corona-Pandemie als Sorgenthema Nummer Eins in Österreich abgelöst hat. Die Preissteigerungen zeigen auch bereits Auswirkungen bei den Zahlungsrückständen bei Mieten und Energiekosten. Im Oktober 2022 wurde eine in Österreich bis vor kurzem noch kaum vorstellbare Inflationsrate von 11,0 Prozent gemessen, welche auch bis Jahresende auf ähnlich hohem Niveau verharrte (Schnellschätzung der Statistik Austria Dezember: 10,2 %). 

Entwicklung der Mieten
Neben den stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen ist auch die Mietpreisentwicklung Grund zur Sorge für viele. Für das dritte Quartal 2022 vermeldete die Statistik Austria den höchsten quartalsweisen Mietanstieg seit Beginn der Messreihe: So liegt die Durchschnittsmiete (aller Mietsektoren und Bundesländer) nun bei 8,8 Euro/m2 und um 3,1% höher als im Vorquartal. Doch es gab beträchtliche Unterschiede zwischen den Sektoren: Den höchsten Anstieg zum Vorquartal (+4,2%) hatten jene Haushalte, die von der gesetzlichen Änderung des MRG-Richtwerts betroffen waren, dabei handelt es sich um private Altbaumieten und z.T. auch um kommunale Mieten. Gemeinde-Mieten stiegen im Schnitt um +3,8%, private Mieten (insgesamt) um +3,6%. Den mit Abstand geringsten Anstieg (+1,2%) gab es bei GBV-Mietwohnungen, da diese nicht unmittelbar an den VPI gekoppelt sind – näheres dazu unten. 

Aber nicht nur in der Quartalsbetrachtung, welche durch den Einmaleffekt der Richtwert- und Kategoriewertanpassung beeinflusst ist, sondern auch in der Langfristbetrachtung zeigt sich der preisstabilisierende Effekt der gemeinnützigen und der kommunalen Mieten. Dies liegt nicht nur am Niveauunterschied, sondern auch an der geringeren Dynamik. In den 10 Jahren von 2011 bis 2021 stiegen die Mieten (inkl. Betriebskosten) insgesamt um 34%. Die privaten Mieten erhöhten sich in dem Zeitraum um 37%, während die GBV-Mieten nur um 28% und die kommunalen Mieten um 24% stiegen. Dadurch ging auch die Schere zwischen privaten und GBV-Mieten immer weiter auf: Waren 2011 GBV-Mieten im Schnitt „nur“ um 1,3 Euro/m2 oder 19% günstiger als private Mietwohnungen, so erhöhte sich die Differenz bis 2021 auf 2,4 Euro/m2 bzw. 25%. 

 

Wechselseitige Abhängigkeit von VPI und Mieten
Doch wie hängen Mieten und Inflation bzw. Verbraucherpreis (VPI) voneinander ab? Steigen die Mieten so stark, weil die Inflation so hoch ist oder umgekehrt? Tatsächlich ist es ein sowohl, als auch. Dafür lohnt sich ein genauerer Blick auf die Zusammenhänge: 

1. Einfluss des VPI auf die Mieten

Die Möglichkeit der Koppelung der (Netto-)mieten an den Verbraucherpreisindex gibt es im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes, d.h. bei privaten Altbau-Mietwohnungen, die nach Richtwertmiete oder nach Kategoriemiete vermietet werden. 

Die Richtwerte werden nach § 5 Richtwertgesetz alle zwei Jahre im April nach dem VPI valorisiert. 2021 wurde die gesetzesmäßig fällige Valorisierung jedoch aufgrund des MPFLG (Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz) ausgesetzt und auf 2022 verschoben. Im April 2022 (für bestehende Mietverträge wurde dies im Mai 2022 wirksam) erhöhten sich die Richtwerte (netto) um rund 5,9% bzw. um 31 (Burgenland) bis 52 (Vorarlberg) Cent/m².1 In Wien erhöhte sich der Richtwert von 5,81 auf 6,15 Euro/m2 – dies betrifft auch zahlreiche kommunale Mietverträge, da sich in Wien die Gemeindemiete an den MRG-Richtwert anlehnt.

Bei den Kategoriemieten, welche v.a. noch bei vor 1994 abgeschlossenen Altmietverträgen zur Anwendung kommen, wird nach § 16 Abs. 6 MRG immer dann valorisiert, wenn der VPI seit der letzten Anpassung um mehr als 5% gestiegen ist. Dieser Stichtag wurde Ende 2020 erreicht, auch hier führte jedoch das MPFGL zu einer Verschiebung der im April 2021 fälligen Valorisierung auf April 2022. Aufgrund der inzwischen stark gestiegenen Inflation wurde die 5%-Schwelle bereits im Februar 2022 erneut überschritten und mit Juli 2022 ein weiteres Mal, weshalb mit 1. November 2022 eine dritte Valorisierung der Kategoriebeträge innerhalb eines Jahres in Kraft getreten ist. 

Die Zahl der Wohnungen mit Richtwert- oder Kategoriemieten beläuft sich in ganz Österreich in etwa auf eine halbe Million, das entspricht rund 30% des Mietwohnungsbestandes (Statistik Austria, Mikrozensus 2021).

Private Mietverträge, welche nicht dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen, also im wesentlichen Mieten in nach dem 2. Weltkrieg errichteten Gebäuden, haben keine gesetzliche Indexkoppelung. Allerdings ist es in privaten Mietverträgen üblich, eine Valorisierungsklausel zu vereinbaren, die meist eine jährliche Inflationsanpassung der Miete vorsieht. 

Aufgrund dieser Regelungen steigen die meisten privaten und kommunalen Mieten zwar zeitverzögert, aber doch in Abhängigkeit vom Verbraucherpreisindex.

2. Einfluss der Mieten auf den VPI

Umgekehrt beeinflusst aber auch die Wohnkosten- und Mietentwicklung den Verbraucherpreisindex: Dieser setzt sich nämlich aus dem VPI-Warenkorb zusammen, welcher die typischen Haushaltsausgaben widerspiegelt. Die Warengruppe „Wohnung, Wasser, Energie“ macht 18,9%, also fast ein Fünftel des aktuellen VPI-Warenkorbs aus. Die reinen Nettomietzahlungen machen dabei 5,4% des Warenkorbs aus, Betriebskosten für Mietwohnungen 2,1%, zusammen 7,6%. Weiters zählen Instandhaltungs- und Reparaturausgaben, sowie Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Müllabfuhr zu dieser Warengruppe. 

Es besteht daher tatsächlich eine beidseitige Abhängigkeit, sodass bei hohen Inflationsraten – ohne politische Gegensteuerung – die Mieten und der VPI sich gegenseitig aufschaukeln. 

Wie sieht es bei den Mietwohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen aus?
Wie oben gezeigt, sind derzeit die GBV-Mietwohnungen wesentlich schwächer von der Teuerung betroffen als andere Sektoren. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Mietpreisbildung bei GBV weit überwiegend nach dem Prinzip der Kostenmiete erfolgt, und diese ist nicht bzw. nur in kleinen Teilkomponenten indexbasiert, wie das folgende Beispiel zeigt: 

Mietpreiszusammensetzung bei Kostenmiete (beispielhaft für ein Gebäude im 7. Jahr nach Erstbezug)

 

In dem dargestellten Beispiel ist lediglich 16% der Nettomiete indexbasiert. Daher würde eine angenommene VPI-Valorisierung von EVB und Verwaltungskostenpauschale um 10% lediglich eine Nettomieterhöhung um 1,65% ergeben, sofern die übrigen Komponenten unverändert bleiben. Letzteres ist aktuell jedoch unwahrscheinlich, näheres dazu weiter unten. Die tatsächliche Valorisierung im April 2022 fiel wesentlich niedriger aus: Der EVB wurde nach 2 Jahren im Schnitt um 4,4% angehoben, die Verwaltungskostenpauschale nach 1 Jahr um 2,7%.

Lediglich bei den ausfinanzierten GBV-Mietwohnungen, die nach der (sehr günstigen) Grundmiete vermietet werden (derzeit 1,95 €/m2; zuzüglich EVB, Grundkostenverzinsung, USt und Betriebskosten entspricht dies einer Bruttomiete von ca. 7,50 €/m2) kommt alle zwei Jahre eine indexbasierte Valorisierung der (gesamten) Nettomiete zur Anwendung. Diese fand zuletzt ebenso am 1. April 2022 statt, also noch vor dem Inflationshöhepunkt. Mieterinnen und Mieter dieser ohnehin äußerst leistbaren Wohnungen profitieren daher noch bis März 2024 von diesem Preisniveau – danach ist jedoch mit einer deutlichen Erhöhung zu rechnen. 

Dennoch, auch im gemeinnützigen Wohnbau sind weder die Unternehmen noch die Mieterinnen und Mieter vor weiteren Kostensteigerungen gefeit. 

  • Baukostensteigerungen: Im ersten Halbjahr 2022 sind die Baukosten, und dabei insbesondere die Materialkosten, außergewöhnlich stark gestiegen. Im Vergleich zum Jahr 2020 erhöhten sich die Materialkosten um rund ein Drittel. (Statistik Austria, Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau). Auch wenn hier mittlerweile eine leichte Beruhigung (auf sehr hohem Niveau) eingetreten ist, hatte dies zur Folge, dass auch gemeinnützige Bauprojekte wegen Unfinanzierbarkeit gestoppt wurden – oder aber zu deutlich höheren Preisen realisiert werden müssen. Dies wird, trotz erhöhter Fördersätze in mehreren Bundesländern, auch zu höheren Mieten im Neubau führen. 
  • Zinswende: Die EZB hat am 15. Dezember 2022 bereits das vierte Mal hintereinander den Leitzinssatz angehoben, dieser liegt nun bei 2,5%. Infolgedessen steigen auch die Hypothekarkreditzinsen deutlich an. Dies wird die Finanzierung neuer Bauprojekte verteuern, kann aber auch auf bestehende Mieten eine Auswirkung haben, wenn nämlich ein variabler Zinssatz vereinbart wurde. Entscheidend ist bei variabel verzinsten Darlehen auch der noch ausstehende Betrag, was bei Gebäuden jüngeren Alters auch zu empfindlichen Erhöhungen der Annuitäten führen kann. Da bei der Kostenmiete die Finanzierungskosten 1:1 abgebildet werden, hat dies auch eine Anhebung der entsprechenden Mieten zur Folge – sofern nicht umfinanziert oder die Laufzeit verlängert werden kann. 
  • Gänzlich unabhängig von den aktuellen Entwicklungen auf den Kreditmärkten sind auch Sprünge in den Annuitätenverläufen bei Wohnbauförderungsdarlehen nicht zu vernachlässigen. In einigen Bundesländern kann es aufgrund von ungleich verteilten Annuitäten über den Rückzahlungszeitraum zu Sprüngen bei den Miethöhen kommen. 

Einmal mehr zeigt sich: Das Geschäftsmodell der Gemeinnützigen ist nachhaltig und sorgt für Mietstabilität auch in turbulenten Zeiten. Dennoch: Will man dies auch in Zukunft bei massiv erhöhten Bau- und Finanzierungskosten sichern, wird man, neben anderen preis- und inflationsdämmenden Maßnahmen, auch um eine nachhaltige Erhöhung der Wohnbauförderung nicht herumkommen. Denn eines ist offensichtlich: Hier gab es in den vergangenen Jahrzehnten keine Valorisierung, im Gegenteil: Die gesamten Wohnbauförderungsausgaben sanken im Zeitraum von 1996 bis 2021 von 1,3% auf unter 0,5% des BIP. 

 

1 Der gesetzliche Richtwert ist lediglich die Basis für den Richtwertmietzins. Der Richtwertmietzins (inkl. Zu- und Abschläge) kann vereinbarungsgemäß auch in abweichender Weise valorisiert werden. In der Praxis ist die 2-jährige Valorisierung gemäß Richtwertgesetz üblich.

 

Referenzen: 

Pressemeldung Statistik Austria vom 7.12.2022

GBV-Pressemeldung vom 7.12.2022

Warenkorb VPI (2022)

Übersicht über wohnwirtschaftliche Werte (WGG, MRG)