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Transformation von alten Siedlungen

“The times they are a-changin”, raunte Bob Dylan 1964. Die Zeiten verändern sich also. Das merkt man im Wohnbau, wenn auch nicht so schnell, wie das bei gesellschaftlichen Trends immer der Fall ist. Nichtsdestotrotz ändern sich auch Wohnbedürfnisse über den Lauf der Zeit. Auch die technischen Standards und die Sozialstrukturen der Bewohnerinnen und Bewohner ändern sich. Darauf müssen gemeinnützige Bauvereinigungen reagieren. Die Herausforderungen werden größer, je weiter das Errichtungsdatum entfernt ist. Das merkt man speziell in den großen Siedlungen der 1940er Jahre. Doch es gibt innovative Wege, wie man diesen Herausforderungen begegnen kann, wie drei aktuelle Beispiele zeigen. 

Transform Ternitz
Die sogenannte Dreiersiedlung in Ternitz ist eine ehemalige Arbeitersiedlung der Schwarzatal aus den 1940er Jahren, die mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist. Der Strukturwandel und Abbau von Arbeitsplätzen in Industriebetrieben seit den 1970er / 1980er Jahren macht sich mittels stagnierender bis schrumpfender Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde bemerkbar. Daher steht ca. ein Drittel der Wohneinheiten in der Siedlung leer. Hinzu kommt, dass notwendige Infrastruktur in der unmittelbaren Umgebung kaum noch vorhanden ist. Die Bausubstanz ist sanierungsbedürftig, die Heizung erfolgt mit Einzelöfen und verursacht hohe Energiekosten und hohe lokale CO2-Emissionen. Aufgrund der verhältnismäßig niedrigen Mieten leben heute vermehrt sozial benachteiligte Menschen in der Siedlung und die Anlage leidet unter einem schlechten Image. Allerdings verfügen die Anlagen mit Ihren knapp 400 Wohnungen über großzügige Freiräume

Das Projekt „Transform Ternitz “ begleitet die Transformation dieser Arbeitersiedlung. Ziel der Transformation ist das Schaffen von neuen Freiräumen, nachhaltiger Energieversorgung und ökonomischer Verträglichkeit. Dabei kommen verschiedenste soziologische Instrumente zur Anwendung. So wird vor Ort ein interaktives Labor für Quartiersentwicklung eingerichtet, um die lokalen Bewohnerinnen und Bewohner einzubinden und ihnen eine aktive Rolle in der zukünftigen Entwicklung der Siedlung zu ermöglichen. Es wurden Befragungen durchgeführt, Best-Practice-Beispiele analysiert oder Workshops mit Bewohnerinnen und Bewohnern durchgeführt. Ein weiterer innovativer Zugang war eine Summer School mit Studierenden der TU Wien vor Ort. Dabei wurde gemeinschaftliche Infrastruktur im Freiraum in Holzbauweise im Rahmen eines Design Build Studios vor Ort umgesetzt. Die 20 Studierenden wohnten dabei auch drei Wochen in der Siedlung. Das Projekt wurde von den Menschen vor Ort sehr positiv wahrgenommen und auch die entstandenen Holzbauten (z.B. Sitzgelegenheiten) im Freiraum werden gerne genutzt.

Die bisherigen Erfahrungen aus den Projekten wurden evaluiert, gesammelt und werden überregional an relevante Stakeholder weitergegeben.


Orte der Kommunikation & Partizipation © Caritas Stadtteilarbeit

 
Summer School © eins:eins

In weiteren Schritten sollen die Gebäude vom Wohnungsleerstand zum lebendigen Siedlungsorganismus umgewandelt werden. Die monofunktionale Siedlungsstruktur soll zu einem funktionsgemischten lebendigen und resilienten Siedlungsorganismus werden. Dazu sollen prototypische Demonstrationshäuser und Impulsnutzungen (z.B. für gemeinschaftliche Infrastrukturen, gemeinschaftliches Wohnen…) geschaffen werden. Auch das Potenzial der Freiräume soll vermehrt genutzt werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist natürlich der Umstieg von Einzelöfen auf eine klimaneutrale, ökologisch nachhaltige Energieversorgung (z.B. Fernwärme, Geothermie, Photovoltaik). Eine Sanierung des Bestands ist allerdings eine wirtschaftliche Herausforderung, für die es neue Lösungen und zusätzliche Fördermöglichkeiten bräuchte.

Videolink: Stadt und Resilienz - Transform Ternitz 

Forschungsprojekt SüdSan in Bludenz
Diese Südtiroler Siedlung der Alpenländischen in Bludenz wurde zwischen 1942 und 1956 errichtet. Die 397 Wohnungen beherbergen derzeit rund 700 Bewohnerinnen und Bewohner auf 77 Stiegen. Aktuell werden alle Gebäude mit dezentralen (wohnungsweisen) Wärmeerzeugern beheizt, das Warmwasser mit Elektroboilern erzeugt. Die Siedlung wurde als erhaltenswert eingestuft und wird nun von der Alpenländischen im bewohnten Zustand saniert. Eventuell findet ein Abriss und Neubau der städtebaulich und architektonisch weniger wertvollen Teile der Siedlung statt, inklusive Neuverdichtung.

Bei dem Projekt SüdSan werden nun die Grundlagen für eine energetische und sozialverträgliche Sanierung konzipiert. Bei Musterhäusern soll die Planung, energetisch‐wirtschaftliche Optimierung, Bau und Monitoring der Kosten umgesetzt werden. Die Erkenntnisse des Energie‐ und Kostenmonitorings für die Mustergebäude soll auf die übrigen Gebäude übertragen werden. Weiters sollen Planungsleitfäden für sozialverträgliche, Klimaziel‐kompatible Sanierungen kleinerer Mehrfamilienhäuser mit Beschreibung der Vorgehensweise erstellt werden. Die methodische Herangehensweise war analog zum Modellvorhaben KliNaWo (siehe auch Projekt des Monats). Es wurden 60.000 Varianten untersucht und modular ausgeschrieben.

Die ersten vorliegenden Zwischenergebnisse zeigen, dass vor allem die Finanzierung der Sanierung solcher Anlagen, wo schon viel Geld für die aktuelle Instandhaltung in die Hand genommen werden musste, eine große Herausforderung ist.

Ähnlich wie in Ternitz werden auch hier soziologische Methoden begleitend umgesetzt. Gearbeitet wird mit der Living-Lab-Methode. Künftige Bewohnerinnen und Bewohner werden miteinbezogen. Im Projekt “Antonius und Fatima” haben sie sich mit der städtebaulichen Modernisierung des Quartiers beschäftigt und ihre Vorstellung für die zukünftige Nutzung eingebracht. Es wurden Frei- und Grünraumnutzung, soziale Einrichtungen, Gemeinschaftsnutzungen, aber auch Mobilitäts- und Energiesystem des Quartiers diskutiert.

Weitere Informationen zum Antonius & Fatima Projekt hier sowie unter folgendem Link.  


Die zahlreichen Anwesenden lauschten der Ergebnispräsentation gespannt © Alpenländische