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Umverteilungswirkungen der Wohnbauförderung

Das Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hat jüngst eine Studie zu den Umverteilungswirkungen wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen abgeschlossen und publiziert. Diese Analyse reiht sich an Vorgängerstudien, die alle fünf Jahre erstellt werden und das Ziel verfolgen, Verschiebungen in der Einkommensverteilung durch Steuerleistungen und Sozialbeiträge einerseits sowie monetäre Unterstützungen und Sachleistungen des Staates andererseits zu analysieren und darzustellen. –

Die Studie verdient Aufmerksamkeit nicht nur wegen der Einbeziehung der Wohnbauförderung und einer speziell dafür angewandten Untersuchungsmethode, sondern auch deshalb, weil die Gesamtbetrachtung mit Referenz auf andere Leistungen eine bessere Beurteilung der Einzelmaßnahmen ermöglicht.

Die Analyse bezieht sich auf der Jahr 2015 und stellt grundsätzlich eine Momentaufnahme der Effekte unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Instrumente dar. Einbezogen sind dabei direkte finanzielle Zuwendungen im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung, der Mindestsicherung und Sozialhilfe sowie der Wohnbeihilfe. Dafür wurden im Jahr 2015 insgesamt rd. 13,5 Milliarden Euro an private Haushalte geleistet. Mit 45,8 Milliarden Euro betrugen die Sachleistungen im Rahmen des Familien-, Bildungs- und Gesundheitswesens sowie der Wohnbauförderung (ohne Beihilfen) aber einen weitaus höheren Anteil an der Gesamtheit von knapp 60 Milliarden Euro. Gleich vorweg: Der Anteil der berücksichtigten Wohnbauförderungsmaßnahmen – die nicht mit den Ausgaben der Länder, sondern mit den Effekten für die Bewohnerinnen und Bewohner (Details siehe unten) bewertet wurden – machen davon rd. 3,5 Prozent aus. Der Löwenanteil entfällt auf Bildung und Gesundheit mit insgesamt über 70 Prozent. 

Zunächst zu den Hauptergebnissen der Studie:  Während die monetären Leistungen zu zwei Drittel an Haushalte im untersten Einkommensdrittel gehen – diese erzielen rd. 12 Prozent der Bruttoeinkommen und leisten rd. 7 Prozent der Abgaben -  sind die Sachleistungen wesentlich gleichmäßiger auf die Einkommensdrittel verteilt. Das Drittel der Haushalte mit den höchsten Einkommen bezieht fast 30 Prozent dieser Leistungen, was v.a. der starken Inanspruchnahme von Gesundheits- und Bildungsleistungen zuzuschreiben ist, bzw. auch eine Konsequenz der gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen und Gestaltung der Systeme ist.  

In Hinblick auf die Verteilung der Einkommen bestehen die wesentlichsten Effekte darin, dass die Einkommenssituation nach Abgaben und öffentlichen Leistungen deutlich ausgeglichener ist – und das hauptsächlich durch einen „Abtausch“ zwischen unterstem und oberstem Einkommensdrittel; die mittleren Einkommen zahlen nahezu soviel an Steuern und Sozialabgaben, wie sie an Leistungen erhalten. 

Wirkungen der Wohnbauförderung

Für diese werden drei Kategorien untersucht: Die Wohnbeihilfe, die Darlehen zur Finanzierung von Eigenheimen und die Mieten in Mietwohnungen von Gemeinden und gemeinnützigen Bauvereinigungen. Dazu ist zunächst anzumerken, dass die Analyse unvollständig ist. Geförderte Eigentumswohnungen und die Sanierungsförderung bleiben ausgeblendet. Die Förderungseffekte werden bei Eigenheimen und Mietwohnungen als Zins- bzw. Mietvorteile gegenüber Marktdarlehen bzw. Marktmieten berechnet. Diesbezüglich bleibt auch kritisch anzumerken, dass damit aber nicht nur Effekte der Wohnbauförderung, sondern auch solche der Wohnungsgemeinnützigkeit (Mietenbeschränkungen) bzw. der kommunalen Mietengestaltung erfasst werden und die Leistung der öffentlichen Hand damit überbewertet ist. Die Untersuchungsergebnisse sind aber nichtsdestoweniger aufschlussreich. Bei der Wohnbeihilfe, die mit rd. 340 Mio Euro insgesamt einen geringen Anteil an den untersuchten Wohnbauförderungsleistungen hat, zeigt sich erwartungsgemäß ein starker Effekt zugunsten der niedrigen Einkommen. Wohnbeihilfen sind einkommens- und mietenabhängig und gehen damit zu gut 85 Prozent an Haushalte im untersten Einkommensdrittel. Die Mietvorteile in (geförderten) Mietwohnungen gemeinnütziger und kommunaler Träger, die insgesamt mit rd. 1,44 Milliarden Euro pro Jahr beziffert werden können, entfallen nicht ganz zur Hälfte auf das unterste Einkommensdrittel und haben damit eine quantitativ weit höhere Wirkung für Bezieherinnen und Bezieher niedrigerer Einkommen als die Beihilfe. Die Objektförderung kommt mit mehr als 20 Prozent zu einem guten Teil auch bei den höheren Einkommen (oberstes Drittel) an. Die WIFO-Studie berichtet von 44 Prozent der GBV-Mietwohnungen, die von Haushalten der oberen Einkommenshälfte bewohnt werden. Das ist ein Befund, der von Kritikern des Systems wieder einmal zum Anlass für den Ruf nach Erhöhung der sozialen Treffsicherheit genommen wurde. Diese Kritiker haben aber die WIFO-Studie nur zum Teil gelesen bzw. reflektiert. Denn dort findet sich auch die Analyse der Effekte der Eigenheimförderung – und diese ergibt, dass fast die Hälfte der Begünstigung auf das oberste Einkommensdrittel entfällt. Zwar sind hier die Effekte in Summe und auf den Einzelhaushalt umgelegt niedriger als im Mietensegment, das verdankt sich aber dem historischen Zinsentief auf den Kapitalmärkten. Unberücksichtigt bleiben auch Vermögenseffekte im Fall des Verkaufs geförderter Häuser. Weiters wurden, wie bereits angemerkt, geförderte Eigentumswohnungen nicht einbezogen, hier lassen sich ähnliche Effekte wie im Eigenheimbereich vermuten; von der Größenordnung her machen die geförderten Eigentumswohnungen etwa 50 Prozent der Eigenheime aus. Insgesamt hat die Eigentumsförderung jahrzehntelang in der Wohnbauförderung dominiert, erst seit etwa 10 bis 15 Jahren ist der Eigentumsanteil zurückgegangen. Das Gewicht der Eigentumsförderung ist daher in der WIFO-Studie unterschätzt.

In Vergleich mit anderen Förderungsmaßnahmen im Rahmen der wohlfahrtsstaatlichen Sachleistungen (überwiegend Bildungs- und Gesundheitsmaßnahmen) lässt sich auch festhalten, dass die Mietwohnungsförderung (genauer: in Zusammenspiel mit dem gemeinnützigen und kommunalen Mietensystem) stärker auf untere Einkommensgruppen fokussiert ist, als die Sachleistungen insgesamt. Die Eigentumsförderung hingegen überdurchschnittlich stark Bezieher höherer Einkommen begünstigt. In gesellschaftspolitischer Hinsicht folgt die Objektförderung dem Prinzip anderer Sachleistungen: Sie ist offen für (fast) alle Haushalte, die mit ihren Steuerleistungen das System speisen und entsprechenden Bedarf haben. „Soziale Treffsicherheit“ steht hingegen im Zentrum von Sozialleistungen im engeren Sinn, die zur Unterstützung sozial Schwächerer eingerichtet sind, wie im Rahmen der Wohnversorgung die Wohnbeihilfe.

Vom WIFO selbst nicht näher analysiert finden sich in den publizierten Daten noch Hinweise auf Effekte der nachträglichen Übereignung von Mietwohnungen. So lässt sich an einem 5-Jahres-Vergleich nachverfolgen, dass bei gestiegener Zahl geförderter Mietwohnungen Anteil und Zahl der Zugehörigen zum obersten Einkommensviertel deutlich abgenommen haben (um 15.000 Haushalte). Als Ursache dafür kann man wohl (unter anderem) die stärkere Inanspruchnahme der Kaufoption durch Bezieher höherer Einkommen annehmen. Daraus kann man aber auch den Schluss ziehen, dass bei – den ab und an geforderten - Beschränkungen im Segment der geförderten Mietwohnungen auf Bezieher niedrigere Einkommen das Optionsmodell weniger greifen würde. 

Eva Bauer

Der Link zum Nachlesen der Studie: https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=61782&mime_type=application/pdf (Kapitel Wohnbauförderung von Michael Klien ab Seite 111)