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Doppelinterview zur aktuellen Situation am Wohnungsmarkt mit den Obmännern der Gemeinnützigen

GBV-Aktuell: Ein Hauptthema bei dieser Wahl sind die hohen Mietkosten. Was muss aus Sicht der Gemeinnützigen passieren, um die Mietkosten in Österreich zu senken? 

Karl Wurm: Die meisten Experten sind sich einig: zuallererst muss mehr gebaut werden. Wir brauchen ein höheres Angebot, um Druck aus dem Markt zu nehmen. Wir brauchen ein höheres Angebot an leistbaren Mietwohnungen sowohl in den Städten und in den ländlichen Bereichen. Stattdessen werden viel zu teure Wohnungen errichtet und diese sind des Öfteren auch schon nicht mehr so schnell an den Mann und die Frau zu bringen. Deswegen mein Appell: mehr günstigen Wohnungen!

Alfred Graf: Ja, Angebot und Nachfrage sind sehr wichtige Marktmechanismen. Aber natürlich gibt es viele Parameter. Zum einen die Grundstückskosten, die innerhalb der letzten Jahre überproportional stark gestiegen sind. Nicht nur in den Ballungsräumen, sondern mittlerweile auch im Umfeld von Wien oder in Räumen wie Tullnerfeld, wo Preissteigerungen innerhalb eines Jahres zwischen 15 und 20 Prozent feststellbar sind. Andererseits sind wir mit den ganzen bautechnischen Vorschriften konfrontiert, die einen sehr hohen Level vorgeben und fast alle Vorkommnisse abdecken möchten, das wirkt sich in den Preisen entsprechend aus. 

 

Prof. Mag. Karl Wurm, MBA  – Obmann des GBV und Geschäftsführer der GEWOG / Neue Heimat (rechts)
Dir. BMstr. Ing. Alfred Graf – Vize-Obmann des GBV und Geschäftsführer der GEDESAG in Niederösterreich (links)

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GBV-aktuell: Experten rechnen damit, dass mittelfristig die Zinskosten steigen werden. Erwarten Sie, dass dadurch das Bauen und somit auch Wohnen noch teurer werden?

Karl Wurm: Ja, ich gehe zwar davon aus, dass dann die Veranlagungen in den Wohnungsmarkt nicht mehr so intensiv stattfinden werden, weil es Alternativveranlagungen gibt, die schnellere Renditen bringen. Der Druck wird geringer, aber die Finanzierung des Wohnbaus wird teurer.

Alfred Graf: Wenn die Zinslandschaft in Bewegung kommt, dann wirkt sich das auch sehr stark auf den Mietbereich aus. Wenn ein halber Prozentpunkt beim Bankdarlehen steigt, dann steigt auch die Miete so um die 30 Cent pro Quadratmeter. Das sind zwischen 20 und 30 Euro pro Monat und pro Wohnung.

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GBV-Aktuell:Ein wesentlicher Grund für die steigenden Preise sind ja auch die steigenden Baukosten. Diese sind nicht zuletzt auf die Normen zurückzuführen. Gibt es aus ihrer Sicht konkrete Maßnahmen, mit denen eine neue Regierung den „Normendschungel“ abbauen könnte? 

Alfred Graf: Normen abzubauen ist natürlich ein Wunsch von uns für die Zukunft. Aber andererseits sind wir auch so realistisch, dass wir wenigstens mal einen weiteren Zuwachs verhindern wollen. Ich nenne da nur als Beispiel die Barrierefreiheit: Die ist ein sehr wichtiger Punkt und ich verstehe auch die gesellschaftspolitische Aufgabe. Aber muss es wirklich sein, dass wir hundert Prozent der Wohnungen barrierefrei ausstatten? Das ist ein enormer Kostenschub, wenn jedes Haus – auch zweistöckige Einheiten - zwingend mit einem Lift auszustatten ist. Das kostet beim Bauen um die 30.000 bis 35.000 Euro und im Betrieb jährlich an die 3.000 Euro. Bei kleineren Objekten sind das alleine rd. € 20-25 je Wohnung. Die Bewohner im Erdgeschoss stellen den Aufzug ohnedies in Frage und die Personen im 1. Stock sagen mir, sie gehen lieber die paar Stufen und zahlen weniger Miete pro Monat.

Karl Wurm: Es muss jetzt wirklich geschafft werden, die Normen und Vorgaben bei Neubauten nicht weiter ansteigen zu lassen und sie eher zurückzunehmen. Im städtischen Bereich oder im Umland der Ballungszentren müssen wir Garagenplätze im Verhältnis 1:2 errichten - also für jede Wohnung zwei Garagenplätze. Das ist einfach viel zu teuer! Die Garagenplätze stehen teilweise leer, weil die Bewohner oft nicht einmal das Geld haben sich zwei Autos zu leisten. Alleine die Mehrkosten für den Garagenplatz liegen zwischen 11 000 und 14 000 Euro. Das ist dann schon sehr massiv. In dieser Billigschiene, von der ich oft rede, muss einfach, kompakt aber effizient gebaut werden und derartige Zusatzkosten müssen tunlichst vermieden werden

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GBV-Aktuell:Im Zuge des Wahlkampfes wurde immer wieder gefordert, privates Kapital bzw. Investitionen von institutionellen Anlegern an die gemeinnützigen Bauträger zu ermöglichen, um die Schaffung von leistbarem Wohnraum möglich zu machen. Wie stehen eigentlich die Obmänner der Gemeinnützigen zu diesem doch sehr umstrittenen Punkt?

Karl Wurm: Im Moment ist die Finanzierung nicht das Hauptproblem. Aber es werden die Zinsen steigen und es wird, wenn die Entwicklung aus Basel III so weitergeht, die Belehnungsquoten der Banken noch weiter nach unten gehen. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn erhöhte Wohnförderung nicht in diese Lücke stößt, dann brauchen die Bauträger mehr Eigenkapital, die Notwendigkeit von Eigenkapitalfinanzierung steigt.      

Alfred Graf: Die künftige Regierung sollte Versicherungen oder Mitarbeitervorsorgekassen die Veranlagungsmöglichkeiten im direkten Investitionsbereich zulassen. Genau im Hinblick darauf, wenn eine steigende Zinsentwicklung es uns schwieriger macht, Objekte zu finanzieren. An dieser Stelle gehört auch gesagt, dass die gemeinnützige Wohnungswirtschaft mit Stolz darauf verweisen kann, dass wir für die Finanzwirtschaft sicherlich ein ganz solider und kalkulierbarer Partner mit äußerst geringen Ausfallrisiko sind.

Karl Wurm: Eines möchte ich an dieser Stelle schon betonen: Jeder Vorschlag, mehr privates Kapital der Gemeinnützigkeit zukommen zu lassen, muss mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sein. Da gab es auch schon Vorschläge, die das System der Wonhnungsgemeinnützigkeit systematisch ausgehöhlt hätten – ein absolutes No-Go.

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GBV-Aktuell:Ein Thema was insbesondere in den Ländern die Gemüter erhitzt, ist die Wohnbauförderung. Was für Vorstellungen haben Sie zu diesem Thema?

Karl Wurm: Da sollte man in Zukunft wahrscheinlich noch konsequenter ein bisschen und radikaler werden. Voraussetzung Nummer 1 für die Vergabe müsste sein: welcher Bauträger gewährleistet auf Bestandsdauer billiges Wohnen. Nur wenn dieses Ziel erfüllt und abgesichert ist, sollte es Wohnbauförderung geben.

GBV-Aktuell:Herr Graf, wie sehen Sie den Punkt mit der Wohnbauförderung?

Alfred Graf: In Niederösterreich gibt es 573 Gemeinden. In 512 davon gibt es geförderten Wohnbau durch die Gemeinnützigen. Die Gewerblichen Bauträger haben primär nur an den Ballungsräumen Interesse und da ist schon zu hinterfragen, ob das dann im Rahmen der Wohnbauförderung stattfinden muss, oder ob da die Marktmechanismen nicht auch ausreichend sind?

GBV-Aktuell:Also sollte die Wohnbauförderung überarbeitet werden?

Alfred Graf: Genau. Zudem müssen wir feststellen, dass in die Wohnbauförderung schon viel zu viel hineingepackt wurde. Da ist die Umweltpolitik inkludiert, die Sozialpolitik, die Arbeitsmarkpolitik. Also das hat alles seine Berechtigung in gewisser Hinsicht. Aber wir müssen schauen, dass man es mit einem entsprechenden Augenmaß sieht und nicht überpowert. Ich denke nur an E-Mobilität. Das ist ein Verkehrsthema und die Tendenzen sind schon erkennbar, dass es teilweise in die Bauproblematik hineinverlagert wird. Das können wir alles allmählich nicht mehr leisten und tragen. Oder zumindest ist es dann unehrlich, wenn man nach billigem Wohnen ruft und gleichzeitig noch mehr und mehr hinein packt. Das geht sich dann halt einfach nicht mehr aus. 

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GBV-Aktuell: Herr Wurm, die österreichische Bevölkerung wächst und wächst. Alleine in den letzten fünf Jahren gab es in Österreich einen Zuwachs von 4,3%. Welche Maßnahmen sehen die Gemeinnützigen am dringlichsten, damit in Österreich mehr gebaut wird und diese Menschen auch vernünftig leben können?

Karl Wurm: Es müssen die Grundstücke billiger werden und die Baukosten sinken. Wir sollten auch drüber nachdenken die Wohnbauförderung in manchen Bereichen zu erhöhen, damit zielgerichtet jene Wohnbauten, die man günstig haben will, auch stärker gefördert werden. 

GBV-Aktuell:Herr Graf, was sagen Sie zum Thema Ankurbelung des Wohnungsmarktes?

Alfred Graf: In den urbanen Räumen ist die Nachfrage flächenstärker als in den ländlichen. Daher ist natürlich auch das Angebot unterschiedlich. In den Städten verstärkt sich die Nachfrage nach Mietbauten, am Land kommt oft der Wunsch, Eigentum zu haben oder zumindest zeitversetzt Eigentum zu erwarten. Aber da besteht natürlich in den verschiedensten Fördermöglichkeiten schon ein Unterschied. Der Druck ist jetzt im städtischen Umgebungsgebiet entsprechend hoch geworden, weil hier Grundstücke doch noch billiger sind und in den meisten Fällen auch vernünftige Anbindungen mit dem öffentlichen Verkehr vorzufinden sind. Da wird es auch notwendig sein – und ich habe das auch mittlerweile über die Landesräte so vernommen – dass es künftig nicht nur beim Verkehrsverbund gewisse Abstimmungen geben soll, sondern dass es dann auch im Hinblick auf die, Wohnungsversorgung, sinnvollerweise Kooperationen geben wird.

Karl Wurm: Voraussetzung für leistbaren Wohnraum sind billige Grundstücke. Dazu bedarf es einer verfassungsrechtlichen Absicherung der Vertragsraumordnung, bei Widmungen für geförderten Wohnbau, durch eine Kompetenzübertragung vom Bund auf das Land notwendig. Das betrifft jetzt all jene Grundstücke, wo umgewidmet wird und ein Privater Grundstückseigner ist. Aber auch die öffentliche Hand besitzt Grundstücke und diese müssten sie zu leistbarem Wohnen unter Verkehrswert zur Verfügung stellen dürfen. Das wäre ein wichtiger Beitrag. Wenn das gemacht wird, gibt es jetzt regelmäßig riesige Aufregung. Wir müssen in der Öffentlichkeit und in den Städten einen intensiven Diskussionsprozess führen und ein Kommitment für diese Notwendigkeit erzeugen, möglicherweise auch rechtlich abgesichert. Das ist schon der erste Wunschpunkt an die neue Regierung (schmunzelt). 

GBV-Aktuell:Herr Wurm, Herr Graf - vielen Dank für dieses Interview.