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Hohe Qualitätsstandards im Gemeinnützigen Wohnbau

Der Großraum Wien erlebt(e) in den vergangenen Jahren einen äußerst dynamischen Wohnbauboom. Während in den meisten Berichten zu dem Thema die Entwicklung der Anzahl der Wohnungen im Vordergrund steht, erlaubt eine neue, datenbankbasierte Studie der Firma Exploreal einen etwas anderen Blick auf den aktuellen Neubaumarkt.

Mit dem „gläsernen Projekt“ wird ein typisches Neubauprojekt nach seinen verschiedenen Eigenschaften (Größe, Ausstattung etc.) beschrieben und damit mehr auf Qualität als auf die Quantität fokussiert.
Die Studie umfasst Bauträgerprojekte in den Bundesländern Wien und Niederösterreich, die sich aktuell in der Vermarktung befinden. Es handelt sich daher überwiegend um Objekte, die aktuell in Bau bzw. „in der Pipeline“ sind, zu einem kleineren Teil auch um fertiggestellte Objekte. Insgesamt wurden rund 6.000 Wohneinheiten in Niederösterreich und rund 7.400 Wohneinheiten in Wien ausgewertet1. Die Studie wurde in Kooperation mit der Wirtschaftskammer erstellt – an dieser Stelle wird nun erstmals das „gläserne Projekt“ nach gewerblichen und gemeinnützigen Bauträgern differenziert dargestellt.
Wie erwartet, sieht das „gläserne Projekt“ in Wien ziemlich anders aus als jenes in Niederösterreich; aber auch zwischen dem typischen gewerblichen und dem typischen gemeinnützigen Projekt bestehen deutliche Unterschiede:

Das gläserne Projekt in Wien
In der Bundeshauptstadt Wien umfasst das „typische“ in der Datenbank erfasste GBV-Bauprojekt 116 Wohneinheiten, das typische gewerbliche mit 49 Wohneinheiten weniger als halb so viele. Dies ist durch die Konzentration der Gemeinnützigen auf den großvolumigen geförderten Mietwohnbau in Stadtentwicklungsgebieten zu erklären – bei den gewerblichen Bauträgern sind kleinere Baulückenbebauungen im dichtbebauten Stadtgebiet häufiger. Im Verhältnis zum jeweiligen Wohnungsbestand werden die meisten Wohnungen in der Donaustadt errichtet, gefolgt von den Bezirken Leopoldstadt und Landstraße, die unter den Innenbezirken über die größten Flächenreserven verfügen. Eine weitere starke Wohnbauproduktion findet in Floridsdorf und Liesing, gefolgt von Favoriten statt.

Nicht nur die Wohnbauprojekte als solche, sondern auch die einzelnen Wohneinheiten sind bei den Bauvorhaben der Gemeinnützigen größer: Sie verfügen im Schnitt über eine Wohnfläche von 74 m2, gegenüber knapp 66 m2 bei den Gewerblichen. Auch der Blick auf die Zimmeranzahl bestätigt dies: Mehr als jede zweite Wohnung von gewerblichen Bauträgern hat nur eine oder zwei Zimmer, bei den Gemeinnützigen liegt dieser Anteil bei 39%. Dafür haben die sehr flexibel einsetzbaren 3-Zimmer-Wohnungen bei den Gemeinnützigen die Nase vorn (48% gegenüber 33%). Große Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern sind sowohl bei Gemeinnützigen (14%), als auch bei Gewerblichen (16%) in Wien eher die Ausnahme. Private Freiflächen sind bei von GBV errichteten Wohnungen beinahe eine Selbstverständlichkeit (98% der Neubauwohnungen) – bei den gewerblichen Bauprojekten hat noch jede zehnte Wohnung in Wien keine private Außenfläche. Sogar in Punkto KfZ-Stellplätze sind gemeinnützige Wohnungen in Wien großzügiger ausgestattet als gewerbliche (0,93 versus 0,79 Stellplätze/Wohneinheit).

 


Das gläserne Projekt in Niederösterreich
Ganz anders in Niederösterreich: In dem traditionell als „Land der Häuslbauer“ bezeichneten Bundesland spielt schon seit zwei Jahrzehnten der Geschoßwohnbau eine immer zentralere Rolle. Im aktuellen Neubaugeschehen dominieren die gemeinnützigen Bauträger. Rund 64 Prozent der erfassten Wohneinheiten werden von GBV errichtet, 36 Prozent von gewerblichen Bauträgern2. Die gemeinnützigen Wohnungen überwiegen auch in den meisten Teilen des Landes – lediglich in den Bezirken Mödling, Korneuburg und St. Pölten (Stadt) errichten gewerbliche Bauträger mehr Wohneinheiten als gemeinnützige. Während gewerbliche Bauträger in erster Linie Eigentumswohnungen bauen, setzen die Gemeinnützigen v.a. auf leistbare Mietwohnungen.

Die Projekte sind in Niederösterreich erheblich kleiner als jene in Wien: Weniger als 30 Wohneinheiten umfasst das typische Bauträgerprojekt in Niederösterreich, in diesem Punkt unterscheiden sich gemeinnützige und gewerbliche Bauträger kaum voneinander. Die Wohneinheiten sind hingegen größer als in Wien – und zwar insbesondere bei gewerblichen Bauträgern: Mit durchschnittlich 80,2 m2 ist die typische Wohneinheit eines gewerblichen Bauträgers in NÖ um fast 15 m2 größer als jene in Wien, und sie ist auch um rund 4 m2 größer als die durchschnittliche gemeinnützige Neubauwohneinheit in Niederösterreich. Erwartungsgemäß schlägt sich das auch in der Zimmeranzahl nieder: Insgesamt werden in NÖ annähernd gleich viele Kleinwohnungen mit 1-2 Zimmern wie mittlere Wohnungen mit 3 Zimmern und Großwohnungen bzw. Reihenhäuser mit 4 und mehr Zimmern errichtet. Während Gemeinnützige Bauträger (ähnlich wie in Wien) besonders stark auf Dreizimmerwohnungen setzen (43%), sind bei den Gewerblichen in Niederösterreich die großen 4+-Zimmerwohneinheiten (37%) sehr stark vertreten. Private Freiflächen sind in Niederösterreich mit ganz wenigen Ausnahmen sowohl im gewerblichen, als auch im gemeinnützigen Wohnbau Standard.

Pro Wohneinheit werden in Niederösterreich etwa doppelt so viele Stellplätze errichtet wie in Wien; die gewerblichen Bauträger liegen hier mit rund 1,67 Stellplätzen pro Wohneinheit leicht vor den Gemeinnützigen mit 1,56 Stellplätzen pro Wohneinheit. In Niederösterreich haben die Gemeinden die Möglichkeit, über den Bebauungsplan oder eine eigene Verordnung festzulegen, wie viele Stellplätze pro Wohnung zu errichten sind. Dieser Stellplatzschlüssel variiert von etwa 0,5 bis zu 2 Stellplätzen pro Wohnung, wobei die meisten Gemeinden nach wie vor auf den (bis vor wenigen Jahren einheitlich festgelegten) Stellplatzschlüssel von 1:1 setzen. Je besser die öffentliche Verkehrsanbindung ist, desto eher können Mindestvorgaben reduziert werden und desto eher sinkt auch die Nachfrage der Bewohner/innen nach zusätzlichen Stellplätzen. 

 


 
Fazit
Der Vergleich des typischen Neubauprojekts in Wien und Niederösterreich, sowie von gewerblichen und gemeinnützigen Bauträgern macht deutlich:
Gewerbliche Bauträger spezialisieren sich stärker auf bestimmte Segmente des Wohnungsmarkts: In Wien ist dies der Trend zu Kleinwohnungen, die auch am Anlegermarkt stark nachgefragt sind3. Als Mieter/innen dieser Wohnungen kommen vor allem berufstätige Singles und Paare mit gutem Einkommen in Frage. In Niederösterreich wiederum richten gewerbliche Bauträger ihr Angebot eher an Familien, denen sie mit großen Eigentumswohnungen oder Reihenhäusern eine Alternative zum freistehenden Einfamilienhaus anbieten.
Gemeinnützige Bauvereinigungen sind eher die „Universalversorger“ – sie haben in beiden Bundesländern auch jene Bevölkerungsgruppen im Blick, die im gewerblichen Segment weniger adressiert werden: In Wien sind das einerseits Erstmieter/innen mit niedrigen Einkommen, für die u.a. die besonders günstigen SMART-Wohnungen zur Verfügung stehen, aber auch etwas größere Haushalte und Familien finden in GBV-Anlagen eher eine passende und leistbare Bleibe. In Niederösterreich wiederum bieten die Gemeinnützigen nicht nur familiengerechte Wohnungen (in Miete, Miete mit Kaufoption und Eigentum), sondern auch kleinere Mietwohnungen, die sich besonders an jüngere Personen („Junges Wohnen“) oder an ältere Personen mit Unterstützungsbedarf („begleitetes Wohnen“) richten.

Link zur Studie „Wohnbauprojekte in Niederösterreich“ vom Mai 2020 sowie zur Studie „Wohnbauprojekte in der Pipeline“ über Wien vom Oktober 2019 (Exploreal, in Kooperation mit WKÖ): https://www.exploreal.at/magazin (Die Datenbasis wurde für den vorliegenden Newsletter-Artikel aktualisiert.)

GBV-Jahresbilanz 2019:
https://www.gbv.at/AktuelleMeldungen/2020/PA%202019%20fast%2017.000%20leistbare%20Wohnungen%20fertiggestellt/
https://gbv-aktuell.at/news/635-gemeinnuetzige-als-wichtiger-konjunkturmotor
Interaktive Grafiken zur GBV-Jahresbilanz 2019: https://public.tableau.com/profile/gemeinnuetzige#!/vizhome/GBV_Bilanz_2019/Story1

1 Zum Vergleich: Die gesamte Bauleistung in Wien beträgt aktuell zwischen 15.000 und 20.000 Wohnungen pro Jahr, in Niederösterreich (nur Mehrfamilienhausbau) zwischen 4.000 und 6.500 pro Jahr. 
2 Im gesamten Geschoßwohnbau liegt der GBV-Marktanteil in Niederösterreich aktuell sogar bei rund 80% (GBV-Schnellerhebung 2019)
3 Aktuell werden neben Anlegerwohnungen auch vermehrt wieder Mietwohnungen errichtet.

Autoren: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald (GBV) und Matthias Grosse (Exploreal)