Zum Hauptinhalt springen

Bedeutung der Gemeinnützigen steigt in COVID-19-Krise

Für die vorliegende Studie wurden ExpertInnen aus Forschung, Verwaltung und Praxis wurden zu zentralen Fragen in Bezug zu Auswirkungen der aktuellen COVID-19-Krise auf Genossenschaften befragt. Durchgeführt wurde sie von FOG (Forschungsvereins für Genossenschaftswesen) und der Universität Wien. In diesem Artikel werden die zentralen Ergebnisse zum Schwerpunkt "Wohnbau" vorgestellt. Die Gesamtergebnisse sind nach Abschluss auf www.genos.univie.ac.at zugänglich.

Stärken von Genossenschaften
Aus der Befragung ging hervor, dass die ExpertInnen Genossenschaften in hohem Ausmaß als eine langfristige, risikobedachte, sympathische und traditionelle Unternehmensform betrachten. Genossenschaften im Bereich Wohnbau werden von den FachexpertInnen dabei als besonders langfristig ausgerichtet wahrgenommen und gelten als zeitgemäße Wohnform. Förderauftrag, Selbstverwaltung und Freiwilligkeit werden im Wohnbaubereich als genossenschaftliche Werte und Prinzipien genannt, die im Vergleich zur Gesamtansicht besonders stark betont werden. Bei der Frage, wie genossenschaftliche Werte und Prinzipien durch das Management kommuniziert werden, ist dies neben Solidarität und Regionalität auch die Selbstverwaltung. Die offene Mitgliedschaft wird weniger stark kommuniziert.

Wohnbaugenossenschaften unterscheiden sich lt. ExpertInnen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten positiv von anderen Mietformen, da aufgrund der Eigentümerstruktur nicht die Gewinnmaximierung das oberste Ziel darstellt, sondern der Förderauftrag. Dies drückt sich zB. in leistbarem und sicherem Wohnen, geringeren Delogierungen und besseren Mietkonditionen wie Herabsetzung von Mieten oder deren Stundung im Zuge der derzeitigen Krise aus. Weiters wird die langfristige Geschäftsausrichtung als wesentlicher Wert angesehen, der den Wohnungsmarkt stabilisiert und zudem antizyklische Investitionen ermöglicht. Auf die Frage, welche Potenziale aus der aktuellen Krise für Wohnbaugenossenschaften erwachsen, wird vor allem der stärkere Zusammenhalt innerhalb der einzelnen Genossenschaften genannt. Dieser gemeinschaftliche Aspekt wird etwa auch in Bezug auf gemeinschaftliches Wohnen zwischen den einzelnen Generationen erwähnt, zudem wird, nach Aussage von ExpertInnen, durch die jüngsten Ereignisse auch jüngeren GenossenschaftsbewohnerInnen bewusst, welchen Wert eine hohe Wohnqualität hat. Erfahrungen, auf die Wohnbaugenossenschaften auch zukünftig aufbauen können.

Aktuelle Herausforderungen
Digitalisierung und Kommunikation sind für alle Genossenschaftsbereiche das Gebot der Stunde, Mitgliedermitbestimmung und mehr dezentrale Entscheidungsstrukturen im Sinne des demokratischen Genossenschaftsprinzips werden gewünscht. Dabei spielt die Digitalisier eine entscheidende Rolle. So sprechen sich im Bereich Wohnen und Bauwirtschaft alle WohnbauexpertInnen dafür aus, dass virtuelle Sitzungen und digitale Abstimmungen beibehalten werden sollen. Jedoch wird von ihnen auch erwähnt, dass digitale Strukturen die Analogen nicht ersetzen dürfen, da Genossenschaften neben einer wirtschaftlichen auch eine soziale Komponente beinhalten. Zudem bedürfen wichtige Entscheidungen des direkten Austauschs. Strebt man ein Mehr an Digitalisierung an, so ist grundlegender Tenor, dass dies nicht zulasten von älteren Personen bzw. Genossenschaftsmitgliedern gehen darf, die über keine entsprechenden technischen Geräte verfügen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Bedeutung von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften in der Krise wächst. Die Nähe zu den Mitgliedern und deren Förderung, aktive Innovationen wie Digitalisierung, nachhaltige Investitionen und neue Wohnkonzepte bieten Potenziale, auch weiterhin als attraktive Wohnform angesehen zu werden.

 

Abbildung 1: Sollte die Möglichkeit virtueller Sitzungen / elektronischer Abstimmungen bei Genossenschaften auch nach der Krise beibehalten werden? – Ergebnisse ExpertInnen mit hoher und geringer Expertise im Bereich Wohnen, Bauwirtschaft


Autorin:
Michaela Schaffhauser-Linzatti ist Professorin am Fachbereich für Genossenschaftswesen der Universität Wien und Leiterin des Forschungsvereins für Genossenschaftswesen (FOG). Dieser sieht sich als Vermittler zwischen Wissenschaft und Praxis. Er serviciert die Genossenschaftsverbände mit wissenschaftlichem Know-how in sämtlichen Belangen. Ein wesentlicher Gegenstand der Arbeit ist die interdisziplinäre wissenschaftliche Behandlung aktueller Probleme aus allen Bereichen des österreichischen Genossenschaftswesens.

Fotocredit: Philipp Lichtenegger