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Mit Klimaschutzinvestitionen zwei Krisen bekämpfen

Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden – Österreich will dies sogar schon bis 2040 erreichen. So lauten die übergeordneten politischen Ziele im Kampf gegen die Klimakrise. Sie wurden vor Ausbruch der COVID-19-Krise formuliert.

Im Frühjahr 2020 kam mit der COVID-19-Pandemie eine neue Herausforderung auf die Welt zu, und sowohl die nationale als auch die europäische Politik konzentrierte sich auf die Bekämpfung der Pandemie. Im Juli 2020 wurde vom Europäischen Rat ein großes Maßnahmenpaket beschlossen, das den EU-Mitgliedsländern helfen soll, sich von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu erholen. Der größte Teil dieses Hilfspakets ist für die Schaffung eines Wiederaufbaufonds (Recovery and Resilience Facility) vorgesehen.

Als im Oktober 2020 die „Renovierungswelle“ zur Förderung der umfassenden Erneuerung des Gebäudesektors in Europa vorgestellt wurde, war die Botschaft klar: Wirtschaftskrise und Klimakrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern im Gegenteil: Jetzt ist es an der Zeit, mit Klimaschutzinvestitionen gezielt auch die Wirtschaftskrise zu bekämpfen und positive Impulse zu setzen. Nur so können wirtschaftlicher Wiederaufbau und Klimaneutralität erreicht werden.

Recovery und Resilience Facility (RRF) und Renovierungswelle
Insgesamt stehen im Rahmen des RRF 672,5 Milliarden Euro im Zeitraum 2021 bis 2023 (70% zwischen 2021 und 2022 und 30% im Jahr 2023) zur Verfügung, 312,5 Mrd davon als Zuschüsse, der Rest als günstige Darlehen. Obwohl die Darlehen der EU zu günstigen Konditionen angeboten werden, ist es unwahrscheinlich, dass Österreich davon gebrauchen machen wird, da die nationalen Konditionen im Vergleich noch besser sind als jene, die man über die EU lukrieren könnte. Die Zuschüsse in Höhe von rd. 3 Mrd Euro, die für Österreich vorgesehen sind, kommen zum Teil der Leitlinie „Renovieren“ zugute und stehen damit grundsätzlich auch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft offen. Der Schwerpunkt der Investitionen soll auf Digitalisierung und Klimaschutz liegen.

Dazu sind alle Mitgliedstaaten aufgerufen, zwischen Oktober 2020 und April 2021 ihre Pläne an die Kommission zu senden. Es gibt dazu in der Kommission eine eigene Taskforce namens RECOVER die damit betraut wurde zu entscheiden, welche Projekte finanziert werden. Auch von österreichischer Seite wird eine eigene Kontaktstelle eingerichtet, die Anträge abwickeln wird.

Die nationalen Pläne sollen sich dabei insbesondere von den länderspezifischen Empfehlungen (country specific recommendations – CSR) leiten lassen und müssen auch mit den Zielen im nationalen Energie- und Klimaplan übereinstimmen. In den Empfehlungen für 2020 stand wurde unter anderem erwähnt, dass Österreich „verstärkt in den ökologischen und den digitalen Wandel investiert, insbesondere in Innovation, nachhaltigen Verkehr sowie saubere und effiziente Energieerzeugung und -nutzung“ (CSR 2020). Für den Gebäudesektor ist darüber hinaus vor allem auch noch wichtig, dass sich geplante Maßnahmen auch mit den Zielsetzungen des Green Deal und der Renovierungswelle decken, die eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 55% bis 2030 (auf Basis von 1990) und Klimaneutralität bis 2050 anstrebt.

Insgesamt sollen die im Rahmen des nationalen Plans zu finanzierenden Maßnahmen sicherstellen, dass die Ausgaben mindestens zu 37% dem Klimaschutz zugutekommen und mindestens zu 20% der Digitalisierung.

Thermische Sanierungen und Heizungstausch im gemeinnützigen Wohnbau
Im gemeinnützigen Wohnbau in Österreich wurden seit 2005 rund 154.000 Wohnungen einer Großinstandsetzungen mit thermischer Sanierung unterzogen. Das sind im Schnitt rd. 10.400 Wohnungen pro Jahr. Aktuell werden zwischen 7.000 und 8.000 Wohnungen pro Jahr großinstandgesetzt und thermisch saniert. Der Rückgang ist in erster Linie bedingt durch die historische Bauleistung und den geringeren Fertigstellungszahlen in den 1980er-Jahren, also jene Baualtersklassen, die aktuell im ersten Renovierungszyklus (nach etwa 30-40 Jahren) liegen. Insgesamt sind bereits rund 72% aller vor dem Jahr 2000 errichteter GBV-Mietwohnungen thermisch saniert worden – bei den aus Energieeffizienzsicht besonders problematischen Altbeständen (vor 1980 errichtet) sogar über 95%. Damit liegen die Gemeinnützigen weit vor dem sonstigen Gebäudebestand, wo erst 44% (Einfamilienhäuser) bzw. rund 48% (Geschoßwohnbau ohne GBV-Miete) der bis 1980 errichteten Gebäude thermisch saniert wurden.

Bei der Frage der klimafreundlichen Beheizung gibt es aber auch bei den Gemeinnützigen noch einen etwas längeren Weg zu gehen: Zwar sind auch hier die GBV-Mietwohnungen deutlich ökologischer aufgestellt als die übrigen Wohnbausektoren: GBV-Mietwohnungen haben 2017/18 mit fast 65% den höchsten Fernwärmeanteil aller Sektoren (Gesamtbestand: 29%) und den niedrigsten Anteil an mit fossilen Brennstoffen und Strom beheizten Wohnungen (GBV: 28%, gesamt: 51%). Seit 2001 wurden die Heizungen von etwa 70.000 gemeinnützigen Mietwohnungen auf ein klimafreundliches System umgestellt. Dabei handelte es sich weit überwiegend um die Umstellung von zentralen Öl- oder Gasheizungen auf Fernwärme. 

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, ist es jedoch wesentlich, die ca. 16.000 verbliebenen Ölheizungen und die – quantitativ bedeutenderen – 117.000 Gasheizungen (rund zwei Drittel davon Gasetagenheizungen) in gemeinnützigen Mietwohnungen abzubauen und auf erneuerbare bzw. emissionsarme Energiequellen umzurüsten. Die gasbeheizten GBV-Wohnungen sind im älteren Gebäudebestand (bis 1980) und in kleineren Gemeinden bzw. ländlichen Regionen überrepräsentiert, wo der Umstieg auf Fern-/Nahwärme bisher schwieriger umsetzbar war.

Die GBV-Initiative „Wärmewende Plus“: Gasetagenheizungen im Fokus
Mithilfe der Mittel aus dem RRF bzw. der Renovierungswelle der EU könnte der Umstieg nun erheblich beschleunigt werden. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen schicken dazu die Investitionsinitiative „Wärmewende Plus“ ins Rennen.

Wärmewende Plus bedeutet ein dreistufiges Vorgehen zur systematischen Dekarbonisierung eines besonders „hartnäckigen“ Gebäudesegments: Des Geschoßwohnbaus mit Gasetagenheizungen. Da bei Einzelgasthermen ein bloßer wohnungsseitiger Energieträgertausch nicht möglich ist, sind mehrere Schritte nötig:

1.   "Zentralisierung" der dezentralen Gasthermen zu einer Hauszentralsheizung: Sukzessive werden die Heizthermen aus den Wohnungen herausgelöst und zu einem zentralen „Heizhaus“ am Dachboden oder im Keller zusammengeführt. Dies kann bei jedem Wohnungswechsel sowie bei Zustimmung der Mieterinnen und Mieter im laufenden Mietverhältnis erfolgen. Im besten Fall gelingt der Umbau eingriffsarm durch Zuleitung über stillgelegte Kamine. Mit jedem einzelnen Thermentausch von der dezentralen zur zentralen Anlage ergeben sich Effizienzgewinn, Verbrauchsreduktion und CO2-Emissionsreduktion – jedoch vorerst noch auf Basis des fossilen Brennstoffs Erdgas
2.    Umstellung der Heizungssysteme („Wärmewende“): Sobald ein ausreichend hoher Umsetzungsgrad der „Zentralisierung“ erreicht ist, erfolgt die Umstellung des Heizsystems auf Fernwärme oder ein anderes klimafreundliches System (z.B. Wärmepumpe).
3.    Systematische Installation von Photovoltaik-Anlagen am Dach; das Gebäude wird dabei zum Energieproduzenten („Plus“). Die Dimensionierung der PV-Installation wird so gewählt, dass der erzeugte Strom im Wohnhaus selbst verbraucht werden kann, etwa in den allgemeinen Bereichen und durch den kontinuierlichen Grundverbrauch in den Wohnungen selbst.

Das Umstellungspotenzial liegt bei etwa 117.000 gasbeheizten Wohnungen (davon ca. 73.000 mit Gasetagenheizungen) im gemeinnützigen Mietwohnbau – im gesamten Geschoßwohnbau (aller Eigentümer) gäbe es sogar ein Gesamtpotenzial von rund 660.000 gasbeheizten Wohnungen.

Nach Berechnungen der Sozialbau-Gruppe, die dieses dreistufige Modell bereits anwendet, ergeben sich für die Heizungsumstellung und PV-Installation durchschnittliche Investitionskosten von etwa 6000 Euro pro Wohnung, die gut investiert sind: Sie rechnen sich für die Vermieterinnen und Vermieter durch einen niedrigeren Wartungsaufwand und für die Bewohnerinnen und Bewohner durch niedrigere Stromkosten dank Eigenproduktion – v.a. aber für das Klima durch erheblich verringerte CO2-Emissionen und für die Volkswirtschaft durch positive Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte.

Zu Beginn jedoch, wenn die „kritische Masse“ an angeschlossenen Wohnungen noch nicht erreicht ist, sind erhebliche Vorleistungen von Seiten der Gebäudeeigentümer notwendig, um die Wärmewende anzustoßen. Die finanziellen Anreize der EU könnten einen doppelten Triggereffekt auslösen, wenn die Wärmewende ausgehend vom gemeinnützigen Sektor auch auf übrige Gebäudebestände ausgeweitet und Energiearmut wirksam bekämpft wird.  

Fazit
Ein nachhaltiger wirtschaftlicher Wiederaufbau nach der COVID-19-Krise wird nur mit Investitionen in den Klimaschutz gelingen. Die entschiedene Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist eine hervorragende Möglichkeit, die beiden Ziele der wirtschaftlichen Erholung und der Klimaneutralität miteinander zu verbinden. Dies wird im Rahmen der Europäischen Renovierungswelle von der EU auch explizit gefordert und gefördert.
Der gemeinnützige Wohnbausektor ist bereit, sich an der Europäischen Renovierungswelle aktiv zu beteiligen und mit der Initiative „Wärmewende Plus“ die CO2-Emissionen im Gebäudesektor zu minimieren.

Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald und Gerald Kössl, Wohnwirtschaftliches Referat, GBV

Quellenverweise und Links
Information der Europäischen Kommission zur Renovierungswelle
Information der Europäischen Kommission zur Recovery and Resilience Facility (Englisch)
Artikel Gemeinschaftsthermen als klimafreundliche Lösung der Zukunft
Gutheil-Knopp-Kirchwald, G. (2020): Dekarbonisierung des Gebäudesektors im gemeinnützigen Wohnungsbestand. OIB aktuell 2/2020, S. 26-29