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Was wird die neue EU-Gebäuderichtlinie bringen?

Am 14. März 2023 wurde vom Europäischen Parlament der Entwurf zur Überarbeitung der EU-Gebäuderichtlinie (genau: der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – Neufassung) angenommen. Bereits im Oktober 2022 hat der Rat der EU seine allgemeine Ausrichtung zur Revision der Gebäuderichtlinie vorgelegt, welche sich in einigen Punkten von dem nun vorliegenden Parlamentsentwurf unterscheidet. Nun geht das Gesetzesvorhaben in die so genannten Trilog-Verhandlungen zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, bevor es beschlossen und in Kraft treten kann. 

Worum geht es?
In der Richtlinie geht es um nichts weniger als darum, den gesamten Gebäudebestand der EU bis 2050 auf „Nullemissionsstandard“ zu bringen, d.h. so umzubauen, dass dieser nicht mehr Treibhausgase emittiert, als er auch binden kann. Es ist der Beitrag des Gebäudesektors zum übergeordneten Ziel der EU, in allen Bereichen bis 2050 klimaneutral zu werden („Europäischer Grüner Deal“). Als Zwischenziel hat sich die EU im Dezember 2020 verpflichtet, die gesamtwirtschaftlichen Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um 55% gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken.

Welche Maßnahmen schlägt der Entwurf der Gebäuderichtlinie aus Sicht des Europäischen Parlaments dafür vor? Zusammenfassend die wichtigsten Neuerungen:

  1. Mindestenergieeffizienzstandards: Wohngebäude müssen ab 2030 mindestens die Anforderungen der Energieeffizienzklasse E und ab 2033 jene der Klasse D erreichen. Nichtwohngebäude müssen diese Standards bereits ab 2027 bzw. 2030 erfüllen. De facto kommt dies einem Gebot zu Sanierung (bzw. Abriss) der Gebäude mit den „schlechten“ Energieeffizienzklassen E, F und G gleich. Ausnahmen sind für denkmalgeschützte Gebäude vorgesehen sowie für „öffentliche Sozialwohnungen“, sofern dies vom Mitgliedsstaat beschlossen wird und Renovierungen zu Mieterhöhungen führen würden, die nicht durch Energieeinsparungen kompensiert werden können. Die Einführung von Mindestnormen der Energieeffizienz soll, „begleitet von sozialen Garantien und finanziellen Sicherheiten“ die „Lebensqualität der schwächsten Haushalte und der ärmsten Bürgerinnen und Bürger verbessern“. Hier ist ein deutlicher Unterschied zur Position des Rates festzustellen, nach welcher es keinen EU-weit einheitlichen, sondern nationale Zielpfade zur Dekarbonisierung mit zwei Kontrollpunkten (2033 und 2040) geben soll.
  2. Neue Gesamtenergieeffizienzklassen: Bisher richten sich die Energieeffizienzklassen A bis G im Energieausweis nach absoluten Kriterien (z.B. Heizwärmebedarf HWB in kWh/m2). Bis Ende 2025 müssen die Systeme auf eine relative Klassifizierung umgestellt werden: Klasse G entspricht den hinsichtlich Gesamtenergieeffizienz schlechtesten 15% des nationalen Gebäudebestands, F den zweitschlechtesten 15% usw. Nur die Klasse A ist absolut definiert als Nullemissionsgebäude. In Verbindung mit dem Sanierungsgebot für die Klassen E bis G (siehe oben) bedeutet dies, dass – ungeachtet der Ausgangssituation und der bisherigen Sanierungsquote – in jedem Land jedenfalls die 45% „schlechtesten“ Wohngebäude innerhalb von 9 Jahren (bis 2033) saniert werden müssten. Auch bei den Gesamtenergieeffizienzklassen unterscheidet sich die Position des Parlaments von jener des Rats, nach welcher es, neben anderen Differenzen, auch eine zusätzliche Kategorie A0 (für Nullemissionsgebäude) und eine Kategorie A+ (Nullemissionsgebäude plus Erzeugung erneuerbarer Energie) geben soll.
  3. Nullemissionsgebäude als neuer Standard: Ab 2028 (in der Position des Rates: ab 2030) sollen alle neuen Gebäude als Nullemissionsgebäude ausgeführt werden, d.h. mit sehr geringem Energiebedarf, welcher vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt wird, sofern dies technisch möglich ist. Photovoltaikanlagen sollen auf alle Dächer, „sofern dies technisch, wirtschaftlich und funktional machbar ist“, installiert werden. Bestehende Gebäude sollten bis 2050 in Nullemissionsgebäude umgebaut werden. 
  4. Fossilfreies Heizen und Kühlen: Ab In-Kraft-Treten der Richtlinie soll im Neubau und bei umfassender Renovierung keine mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungsanlagen mehr eingebaut werden. In allen Gebäuden soll außerdem die Nutzung solcher Heizungsanlagen bis 2035 bzw. mit Ausnahmen bis 2040 auslaufen. Allerdings sind dies nur Soll-Bestimmungen „die Mitgliedsstaaten sollten Maßnahmen ergreifen…“
  5. Nationale Gebäuderenovierungspläne und Finanzierungsmechanismen: Die Mitgliedsstaaten sollen Gebäuderenovierungspläne als Fahrpläne zur Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor erstellen samt Kostenschätzung und Finanzierungsmodellen. Förderungen und neue Finanzierungsinstrumente sowohl auf EU-, als auch auf nationaler Ebene sollen auf die Sanierung der Gebäude mit besonders schlechter Energieeffizienz sowie auf die Bekämpfung von Energiearmut fokussieren. 
  6. E-Mobilität: Bei neuen Wohngebäuden sowie bei solchen, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, sollen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge tragen, dass für jeden Stellplatz eine Vorverkabelung für die spätere Errichtung von Ladepunkten errichtet wird, und (nur) falls dies technisch und wirtschaftlich nicht machbar ist, (lediglich) Leitsysteme errichtet werden. Die Vorverkabelung soll dabei so ausgelegt werden, dass eine gleichzeitige, effiziente Nutzung aller Ladepunkte möglich ist, gegebenenfalls durch die Installation eines Last- oder Lade-managementsystems „soweit dies technisch und wirtschaftlich machbar und gerechtfertigt ist“. Auch für die Ladeinfrastruktur für E-Fahrräder werden Mindeststandards definiert.

Herausforderungen und offene Fragen
In der Frage der Umsetzung der sehr ambitionierten Ziele lässt der Entwurf der Gebäuderichtlinie vieles offen oder verweist auf die Mitgliedsstaaten („sollen“ bzw. „sollten“). 

Im Folgenden werden einzelne Beispiele genannt, welche Fragen und Herausforderungen für die Umsetzung in Österreich und für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft zukommen werden:

  • Aktuell besteht keine österreichweite Energieausweis-Datenbank für den Gebäudebestand. D.h. es gibt keine abrufbare Information darüber, welche und wie viele Gebäude welcher Energieeffizienzklasse entsprechen. Diese Information ist jedoch nötig, um die 15, 30 oder 45% „schlechtesten“ Gebäude zu identifizieren, die unter das Sanierungsgebot bis 2030 bzw. 2033 fallen würden. Weit überwiegend dürfte es sich bei den Wohngebäuden der „wegzusanierenden“ Klassen um ältere Einfamilienhäuser, gründerzeitliche Zinshäuser und um ältere Eigentumswohnanlagen handeln und nur zu einem sehr kleinen Teil um GBV-Mietwohnungen. 
  • Die erforderliche Sanierung von 45% des Gebäudebestands innerhalb von neun Jahren in jedem einzelnen Land Europas dürfte zu einem Nachfrageschock auf den vorgelagerten Märkten führen, was massive Kapazitätsprobleme, Lieferkettenverzögerungen und Preissteigerungen erwarten und die Erreichbarkeit des Ziels in Frage stellen lässt. Zu befürchten ist jedenfalls, dass die Kapazitäten der ausführenden Unternehmen für Maßnahmen in Gebäudebeständen der Klassen E bis G weitgehend aufgesaugt und etwa für den GBV-Mietwohnungsbestand, welcher regelmäßig saniert und instandgehalten wird, nur mehr eingeschränkt zur Verfügung stehen werden. Auch Förderungen und Finanzierungs-instrumente sollen gemäß Richtlinienentwurf auf den Problem-Gebäudebestand fokussiert werden.
  • Zwar kann eine EU-Gebäuderichtlinie definitionsgemäß nur Vorschriften für den Gebäudesektor erlassen. In einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung ist jedoch sehr wohl darauf hinzuweisen, dass der Gebäudesektor in Österreich jener ist, der bereits überdurchschnittlich zur CO2-Reduktion beigetragen hat und nun insbesondere die Sektoren Industrie und Verkehr in einem höheren Ausmaß zur Erreichung der klimaschutzrelevanten Ziele in die Pflicht zu nehmen wären.   

Vorläufiges Resümee 
Die gemeinnützigen Bauvereinigungen bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität und zur Energiewende. Durch höchste Standards im Neubau, sowie überdurchschnittliche Raten bei thermischer und energetischer Sanierung im Bestand leisten sie ihren Beitrag dazu, die Klimaneutralität nicht erst 2050, wie es die EU vorsieht, sondern bereits 2040 zu erreichen, wie es Ziel der österreichischen Bundesregierung ist. 

Der Entwurf der überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie hat das sehr engagierte Ziel, den Gebäudebestand der EU bis 2050 auf „Nullemissionsstandard“ umzubauen, bleibt jedoch bei der Frage der Umsetzung häufig vage bzw. obliegt es den Mitgliedsstaaten, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Eindeutig ist jedoch, dass alle Länder, egal wie gut oder schlecht ihre Ausgangssituation ist, zur Dekarbonisierung und Minimierung des Energieverbrauchs angehalten werden – eine bessere Neubau- oder Sanierungsperformance in der Vergangenheit wird nicht „angerechnet“. 
Gegenüber früheren Entwürfen sind wichtige Verbesserungen eingebracht worden, etwa die Ermöglichung quartiersbezogener Ansätze bei Sanierung und Energieproduktion, die Betonung der Kosteneffizienz, technischen Machbarkeit sowie der externen sozialen Wirkungen, welche bei der Gebäudesanierung berücksichtigt werden müssen. 
Was der Entwurf des Parlaments aber weiter vermissen lässt, ist eine gesamthafte Betrachtung der Umbaumaßnahmen, welche auch die Wohnqualität und die Wohnkosten für Mieter im Geschoßwohnbau einbezieht. Der Präsident von Housing Europe, Bent Madsen, sparte daher in seiner ersten Stellungnahme auch nicht mit Kritik: „Der Vorschlag des Parlaments trägt jedoch der Forderung nach insgesamt besseren und erschwinglicheren Wohnverhältnissen nicht ausreichend Rechnung. Er fordert ein schnelles Auslaufen von Gebäuden der Klassen E, F oder G, wobei die Lehren aus den bisherigen Erfolgen unterschätzt werden, und die Gefahr besteht, dass es bei Renovierungen an Qualität mangelt und die Mieten sowie die Lebenshaltungskosten für die Bewohner weiter steigen. Außerdem besteht in einigen Ländern die Gefahr, dass es zu Konflikten mit dem geltenden nationalen Recht kommt und die bereits tätigen Gebäudeeigentümer, Renovierungsfirmen und Investoren, die sich auf einen stabilen Rechtsrahmen verlassen, benachteiligt werden.“ 1

Der Gesetzesentwurf wird nun im Trilog zwischen Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission verhandelt. Da insbesondere bei den Gesamtenergieeffizienzklassen und bei den Fahrplänen zur Erreichung der Ziele einige Abweichungen zwischen der Position des Rates und jener des Europäischen Parlaments bestehen,  kann die Gebäuderichtlinie bis zum Beschluss noch einige Änderungen erfahren. 

https://www.housingeurope.eu/resource-1773/the-new-buildings-directive-can-be-a-driver-for-green-fair-communities-but-must-be-tweaked-to-achieve-this-goal

Autorin: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald

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