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Internationale Konferenz zu leistbarem Wohnen in Wien

Auf Initiative des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen fand am 19.September 2023 in Wien die Konferenz „Shaping housing markets - the economic impacts of affordable housing” in Kooperation mit dem Affordable Housing Bootcamp von Housing Europe statt. Ziel der Konferenz war es die ökonomischen Effekte und Rahmenbedingungen von Wohnungsmärkten näher zu beleuchten. Unter den Gästen waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa sowie Vertreterinnen und Vertreter bedeutender internationaler Institutionen. Michael Klien (WIFO Austria), Julie Lawson (RMIT University, Australia), Volker Ziemann (OECD) und Stefan Zeugner (Europäische Kommission, DG Economic and Financial Affairs) diskutierten dabei unter der Leitung von Sorcha Edwards (Housing Europe) die ökonomischen Herausforderungen von Wohnungsmärkten.

Bernd Riessland (GBV) eröffnet die Konferenz mit der Ansage, dass diesmal nicht die soziale, sondern die ökonomische Dimension des Wohnungswesens im Vordergrund stehe. Österreich habe mit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft einen Sektor, der weder ein sozialer Wohnbau mit Sozialmieten, noch ein gewinnmaximierender Player am freien Markt sei. Mit der Kostenmiete könne dem Markt ein Signal über das wahre Kostenniveau des Guts Wohnung gegeben werden.
Michael Klien (WIFO) greift diese Argumentation auf und belegt sie mit den Ergebnissen der Studie „Die preisdämpfende Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus“. Während klassische Ansätze zur Preisdämpfung am Wohnungsmarkt wie die Angebotsausweitung innerhalb des Marktsektors, mietrechtliche Eingriffe oder die (Re-)kommunalisierung weitgehend bekannt sind, ist die Wirkung eines privaten Nonprofit Sektors, welcher mit dem Marktsektor konkurriert, eine bislang noch wenig erforschte Variante einer Angebotspolitik. In einer Analyse kleinräumiger Daten über eine Zeitreihe von 50 Jahren werde für Österreich nachgewiesen, dass eine Erhöhung des gemeinnützigen Anteils innerhalb eines Mietwohnungsmarkts um 10% zu einer Verringerung der Marktmieten um 30 bis 40 Cent pro m2 führe (bzw. zu einem um 15-20% niedrigeren Preisaufschlag). Weiters zeigen die Daten, dass dem gemeinnützigen Wohnbau durch seine kontinuierliche Bautätigkeit eine antizyklische und marktstabilisierende Wirkung zukomme. 

Julie Lawson (RMIT University, Australia) beschreibt in ihrem Vortrag zunächst, wie lokale Wohnungsmärkte durch globale Finanzinvestments geformt wurden. Wohnbau wurde weltweit zur größten Asset-Klasse, was zu einer nie da gewesenen Vermögenskonzentration führte. Auf lokaler Ebene äußerte sich dies häufig in starker Preisdynamik, sinkender Leistbarkeit des Wohnens und räumlicher Segregation. Viele gegensteuernde, innovative boden- und wohnungspolitische Ansätze kommen aus Städten (z.B. Helsinki, London), jedoch fehlen diesen oft die Kompetenz, die Spielregeln der Investmärkte nachhaltig zu verändern. Nationale Regierungen hätten bei der Regulierung der Wohnbaufinanzierungssysteme eine wichtige Rolle zu spielen. Im Bericht der Initiative Housing2030 (UNECE, Housing Europe, UN Habitat) werden beispielhafte Politikansätze aus verschiedenen Ländern dargestellt. Besonders nachhaltig sind revolvierende Fonds, die nach der Ausfinanzierung von Objekten eine Re-investition der Mittel in den zweckgebundenen Wohnbau vorsehen. Ein solches Modell ist u.a. in Österreich, Dänemark und Finnland etabliert und leiste einen Beitrag zum Umbau der Wohnungsmärkte in Richtung von langfristig und nachhaltig gesicherten leistbaren Wohnungssystemen. 

Der Vertreter der Europäischen Kommission (DG ECFIN), Stefan Zeugner, spricht über die Bedeutung der Leistbarkeit des Wohnens in Europa aus makroökonomischer Perspektive. Die Wohnungsmarktbeobachtung ist wichtig, da Wohnungsmärkte anfällig für Marktversagen sind, was bei stärkerem Ungleichgewicht zu einer Destabilisierung von Volkswirtschaften führen könnte. Nicht zuletzt sind leistbare Wohnungsmärkte auch wesentlicher Bestandteil für eine ausreichende Arbeitskräftemobilität und -produktivität.
Trotz dynamischer Preisentwicklung am Wohnungsmarkt hinkte das Angebot (der Wohnungsneubau) in Europa nach: Das Defizit an Wohnbauinvestitionen sei eine echte Sorge in Europa – besonders in Städten mit hohem demographischem Druck. Er plädiert für eine Ausweitung der Angebots- bzw. der Objektförderung (u.a. von Innenentwicklung, Klimaschutzmaßnahmen und städtischer Infrastruktur) sowie für unterschiedliche Varianten eines sozialen Wohnbaus.

Volker Ziemann (OECD) stellt die neue OECD-Studie (Brick by brick – volume 2) vor und gibt einen Überblick über die Entwicklung der Häuserpreise und Finanzierungskosten in Europa und den USA. Die sinkende Leistbarkeit von Wohnungseigentum betrifft jene Länder besonders stark, die in hohem Maß auf variabel verzinste Kredite setzen. Er betont weiters die hohe Bedeutung – und gleichzeitig Herausforderung - der Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Schließlich geht er auf erfolgversprechende Politikmaßnahmen ein, z.B. die Errichtung von sozialem Wohnbau gerade in attraktiven, gut erschlossenen Gebieten. Außerdem empfiehlt er, Grund und Boden höher zu besteuern als die Gebäude, die darauf errichtet werden.

Die abschließende Podiumsdiskussion mit allen Vortragenden wird von Sorcha Edwards, der Generalsekretärin von Housing Europe, moderiert. Ihre Conclusio lautet: "Die OECD empfiehlt das österreichische Wohnungsmodell, auch Dublin wurde von Wien inspiriert. Es ist ein historisch gewachsener Weg, aber es ist möglich, diese Richtung einzuschlagen, und Housing Europe erwartet von der EU, dass sie über das Europäische Semester sowie über staatliche Beihilfe-, Finanz- und Förderregeln klare Signale der Unterstützung sendet".

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